Eigentlich ist der Mercedes Benz Vario ja schon richtig lange und ganz richtig tot. Daimler stellte die Produktion des - auch bei Aufbauern und im Kleinbussegment sehr beliebten - MB Vario im Jahr 2013 ein. Der Hersteller sah für ihn keine wirtschaftliche Zukunft mehr. Doch Totgesagte- man wundert sich da immer wieder - leben manchmal viel länger, als man denkt.
Die BPW Bergische Achsen KG (Wiehl), eigentlich ein Spezialist im Trailerachsenbau und –zubehör, entwickelte 2016 eine elektrische Antriebsachse für Transporter und setzte dabei auf einen Vario als Versuchsträger.
Relativ zügig fiel in dem bergischen Unternehmen dann im Anschluss zur erfolgreichen „Machbarkeitsstudie“ die Entscheidung, die eTransport – so der BPW-Name für die elektrische Antriebsachse – als Nachrüstsatz für alle Varios anzubieten. Denn davon fahren, obwohl in die Jahre gekommen, noch etliche in so manchem Fuhrpark. Die Qualitäten des Varios werden bei Omnibusbetrieben und mehr noch in städtischen Fuhrparks auch heute noch sehr geschätzt. Für Deutschland gehen Experten noch von einer Stückzahl von 20.000 Einheiten aus.
Und im Rahmen potenzieller Dieselfahrverbotszonen kann ein E-Vario eine gute Lösung für (innerstädtische) Mobilität ohne Grenzen darstellen. Erst recht für Spezialfahrzeugen mit teuren Auf- und Ausbauten, die so ein emissionsfreies zweites Leben geschenkt bekämen.
Aktuell starten BPW und der Logistikdienstleister Hellmann Worldwide Logistics einen gemeinsamen Praxistest. Sie schicken einen ersten E-Vario-Transporter auf die Straße.
Mit zwei achsintegrierten Asynchron-Motoren verfügt dieser Vario über 150 kW (203 PS). Die Leistungsfähigkeit ist auf 90 km/h limitiert. Das ermöglicht es ihm, mit einer 80 kWh starken Lithium-Ionen-Batterie eine Reichweite von 100 km zurückzulegen – inkl. 3 t Nutzlast! (Auch der aktuelle eCitaro von Daimler kommt inkl. Nebenverbraucher „nur“ auf 100-150 km Reichweite!)
Die eTransport rekuperiert die Bremsenergie und verbessert, laut BPW, die Manövrierfähigkeit des Transporters, indem sie das Lenkverhalten aktiv über die Hinterachse unterstützt. Die Ladedauer gibt BPW mit 4-6 Stunden an. Durch den Wegfall des Dieselaggregates und seines Antriebsstranges ist der E-Vario gewichtsneutral zum Diesel-Pendant. Die Batterien sind unterflurig montiert.
Im Rahmen des Feldversuchs wird zunächst über sechs Monate der Einsatz eines elektrisch betriebenen Transporters in verschiedenen Topografien sowie bei unterschiedlichen Tour-Strukturen für die innerstädtische Belieferung erprobt. Der speziell für Hellmann umgerüstete Vario wird jeweils zwei Monate in den Niederlassungen Osnabrück, Lehrte und Bielefeld eingesetzt.
BPW ist zwar der Entwickler des E-Antriebes, doch für den Um- bzw. Einbau der E-Achse zeichnet das Partnerunternehmen Paul Nutzfahrzeuge (Vilshofen) verantwortlich. BPW und Paul Nfz wollen Ende 2018 in der Lage sein, serienmäßig Varios auf E-Antrieb umzurüsten. Man möchte dann bis 100 Varios pro Jahr in emissionsfreie Fahrzeuge verwandeln können. Ca. zwei Wochen braucht der Umbau – inklusive der gegebenfalls notwendigen Aufbereitung der Altfahrzeuge.
Im Fokus stehen zwar erst einmal Varios und vor allem die Transportermodelle. Aber die E-Achse ist grundsätzlich für alle Fahrzeuge bis 7,5 t GG tauglich. Und – den Erfolg vorausgesetzt – wer weiß, wann sich BPW demnächst an die Kleinbusse herantraut oder der erste kreative Busbauer von sich aus nach einer eTransport für seine Umbauten fragt.
Bild: Schlüsselübergabe: Markus Schell, Geschäftsführender Gesellschafter bei BPW, Matthias Magnor, COO Road & Rail Hellmann Worldwide Logistics und Prof. Sabine Bruns-Vietor, Hochschule Osnabrück, Fachgruppe Logistik
Bildquelle: Hellmann
Text: Dirk Sanne
